Es wird untersucht, welchen Effekt die geplanten Maßnahmen zur „Klimaneutralität“ in Europa haben können, wobei unterstellt wird, daß ganz Europa (also nicht nur die EU-28) und Nordamerika mitmachen.
Die alten Industrieländer in Europa und Nordamerika (USA und Kanada) werden zur Zeit von ca. 1 Milliarde Menschen bewohnt, ungefähr einem Achtel der fast 8 Milliarden Menschen, die zur Zeit die Erde bevölkern. Der Bevölkerungszuwachs von ca. 80 Millionen Menschen pro Jahr findet nicht in Europa und Nordamerika statt, sondern in der übrigen Welt: Asien, Afrika und Südamerika:
Abb. 1 zeigt, daß 2050 ca. 10 Milliarden Menschen auf der Welt leben werden, jedoch nur noch ein Zehntel davon in Europa und Nordamerika, wo das Bevölkerungswachstum praktisch zum Erliegen gekommen ist (Quelle: „Our World in Data“-Grafik „World Population by Region“ ).
Die Einwohner Europas und Nordamerikas haben zur Zeit zwar eine Pro-Kopf-Emission von ca. 10 t CO2 pro Jahr, die mehr als doppelt so hoch ist wie in der übrigen Welt (ca. 4 t pro Jahr) – aber aufgrund ihres geringen Anteils an der Weltbevölkerung spielt das fast überhaupt keine Rolle (Quelle: „Our World in Data“-Grafik „Annual Total CO2-Emissions, by World Region“ ).
Abb. 2 zeigt, daß die Pro-Kopf-Emissionen der Welt selbst dann die Größenordnung 4 t pro Jahr behalten würden, wenn die 1 Milliarde Einwohner Europas und Nordamerikas ab dem 1.1.2020 kein CO2 mehr emittieren würden. Diese extreme Annahme wird gemacht, um eine untere Grenze für die aufgrund von „Klimaschutz“-Maßnahmen zu erwartenden Effekte zu berechnen.
In Abb. 2 wird angenommen, daß Europa und Nordamerika ab 2020 kein CO2 mehr emittieren, während die mittleren Pro-Kopf-Emissionen der übrigen Welt konstant bei 4 t/Jahr bleiben. Daß die Pro-Kopf-CO2-Emissionen dieser Länder wieder sinken, ist unwahrscheinlich, denn die Einwohner dieser Länder wollen ihren Lebensstandard steigern und haben kein Geld für teure „Transformations“-Maßnahmen, wie Deutschland sie sich leistet.
Die übrige Welt würde also 2020 weiterhin pro Jahr 7 * 4 Gt CO2 emittieren und diese Emissionen aufgrund ihrer linearen Vermehrungsrate von ca. 80 Millionen pro Jahr bis 2050 auf 9 * 4 Gt/Jahr steigern – den jetzigen Wert der jährlichen Welt-CO2-Emissionen.
Abb. 3 zeigt, wie die Welt-CO2-Emissionen nach einem angenommenen Rückgang von 38 auf 28 Gt/Jahr im Jahr 2020 innerhalb von 30 Jahren aufgrund der in dieser Zeit um 2,5 Milliarden gewachsenen Weltbevölkerung wieder die jetzige Größenordnung annehmen würden. Ein ähnliches Bild für die Jahre 1990-2019 wurde im Februar 2020 von der IEA (Paris) veröffentlicht: Energy related CO2 emissions, 1990-2019. Auch diese Auswertung zeigt, daß die Emissionen der entwickelten Länder bei ca. 12 Gt/Jahr stagnieren, während die Emissionen der restlichen Welt Jahr für Jahr steigen.
Die atmosphärische CO2-Konzentration – berechnet aus den jährlichen Emissionen mit dem Bern Carbon Cycle Modell – würde nach 2020 auch ohne die Emissionen der alten Industrieländer weiter wachsen, nur etwas weniger schnell:
Abb. 4 zeigt, daß die CO2-Konzentration bis 2050 auf 470 statt 500 ppm steigen würde, und bis 2100 auf 600 statt 640 ppm – eine nur geringe Minderung. Eine Extrapolation der mittleren globalen Oberflächentemperatur mit Hilfe der formelmäßigen Beschreibung der bisherigen globalen Erwärmung führt zu den in Abb. 5 dargestellten Ergebnissen:
2050 wäre die mittlere globale Oberflächentemperatur bestenfalls (d.h. im Falle der unrealistischen Annahme eines sofortigen Emissions-Stops in Europa und Nordamerika) 0,15 °C niedriger als im „Weiter wie bisher“-Fall. 2100 wären maximal 0,25 °C Temperatur-Minderung zu erreichen, also 2,2 °C statt 2,45 °C.
Wenn man bedenkt, daß ein Emissions-Stop der alten Industrieländer ab 2020 unmöglich und bis 2050 sehr unwahrscheinlich (und sehr teuer) ist, ist die erreichbare Temperatur-Minderung so klein, daß alle geplanten „Klimaschutz“-Maßnahmen den Charakter eines sinnlosen Aktivismus haben.
Björn Lomborg schrieb am 12.12.2019 in einem kostenpflichtigen FAZ-Artikel „Zum Plan der EU-Kommission: Klimaneutralität wird richtig teuer“ : Verzicht in Europa und Nordamerika ist sinnlos – nur CO2-freie Energie, die überall billiger als fossile ist, kann eine globale Wende bewirken.
Die Welt retten zu wollen, ist schon Hybris; sie aber n u r in Deutschland oder Europa retten zu wollen, grenzt an Wahnsinn. Die Welt ist mittlerweile viel mehr als nur Europa und Nordamerika, und nur Maßnahmen, die in dieser übrigen Welt wirken und dort einen höheren Lebensstandard bei geringeren CO2-Emissionen zur Folge haben, haben Aussicht auf Erfolg.
„Die EU hat einem ganzen Kontinent Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verordnet – ein Radikalumbau innerhalb von nur 30 Jahren und ein Plan, der das Potenzial hat, die Wettbewerbsfähigkeit der EU und damit die Grundlage für unseren künftigen Wohlstand zu ruinieren. Das Fatale daran ist: Ein energiepolitischer Alleingang Europas wird dem Klima nicht helfen – ohne China, die USA und Indien wird es keine Lösung für das globale Problem der Erderwärmung geben. Die Atmosphäre kennt keine Ländergrenzen.“ Das schrieben Lino Guzzella, Jürgen Hambrecht und Lars Josefsson in einem Gastbeitrag der NZZ vom 16.01.2020 in ihrem Artikel „Ohne einen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik bleibt der New Green Deal eine gefährliche Utopie. Es wird Zeit aufzuwachen.“