Anfang 1996 publizierten F. Joos et al. (Bern) den Artikel „An efficient and accurate representation of complex oceanic and biospheric models of anthropogenic carbon uptake“, in dem der Abbau des Ausstoßes einer bestimmten CO2-Masse als eine Summe von abfallenden Exponentialfunktionen mit Zeitkonstanten zwischen wenigen und hunderten von Jahren beschrieben wird – siehe Abb. 1:
Bemerkenswert in den Formeln von 1996 bzw. 2007 sind vor allem die konstanten Glieder (18 % bzw. 21.7 %), die unterstellen, daß ca. 20 % jeder anthropogenen CO2-Emission „ewig“ (unendlich lange) in der Atmosphäre verbleiben. Auf diese Eigenschaft der Joos-Formel für den zeitlichen Abbau eines CO2-Pulses wird explizit in der englischen Version des Bildes hingewiesen: „Remaining Arborne 19 % at 1000 years“ – siehe Publikation von J. Hansen et al. (2007) „Dangerous human-made interference with climate: a GISS modelE study“.
Mit der Joos-Formel von 1996 (siehe Abb. 1) werden die Mauna-Loa-Meßwerte (ab 1959) nur bis 1996 gut beschrieben – siehe gelbe Kurve in Abb. 2. Mit im Jahr 2007 korrigierten Parametern (Formel (1) – Quelle: IPCC Report „Climate Change 2007: The Physical Science Basis“, Seite 34, Fußnote a) werden die CO2-Konzentrations-Meßwerte bis 2024 wesentlich genauer approximiert (siehe rote Kurve in Abb. 2):
(1) decay(t) =(21.7 + 25.9*exp(-t/172.9) + 33.8*exp(-t/18.5) + 18.6*exp(-t/1.186)) (%)

Abb. 2 | Vergleich der decay-Formeln „2007 IPCC“ (gelb) und „1996 Joos“ (blau) in ihrer Auswirkung auf die Beschreibung der CO2-Konz.-Meßwerte zwischen 1970 und 2024 durch das Bern Carbon Cycle Modell
Die Anwendung der decay-Formeln im Bern Carbon Cycle Modell besteht darin, für die CO2-Emission jedes Jahres j (j=1850, 1851, …) zu berechnen, wieviel davon nach t (t=0,1,2,…) Jahren noch übrig ist. Die anthropogene CO2-Masse m(x) in der Atmosphäre des Jahres x ist dann die Summe der Emissionen des Jahres x + die Summe aller nicht absorbierten CO2-Massen für die Vorjahre j < x, für die gilt j+t = x. Die CO2-Konzentration des Jahres x wird berechnet als C(x) = C0 + 0,128 * m(x).
Auffällig an den Formeln von Joos (1996) und dem IPCC (2007) ist die hohe Zahl an benötigten Parametern (9 bzw. 7), die bei einem Fit kaum eindeutig bestimmt werden können. Das wird deutlich an den drastischen Unterschieden der Parameter der beiden decay-Formeln.
Um die CO2-Konzentrations-Meßwerte bis 2024 ebenso gut zu approximieren wie mit Formel (1), reicht auch eine decay-Formel (2) mit nur 2 Parametern, wie aus Abb. 3 (gelbe Kurve im Vergleich zur roten Kurve „IPCC 2007“) hervorgeht.
(2) decay(t) =79*exp(-t/79.8)

Abb. 3 | Vergleich der decay-Formeln „Glinzer 2025“ (gelb) und „IPCC 2007“ (rot) in ihrer Auswirkung auf die Beschreibung der CO2-Konz.-Meßwerte zwischen 1850 und 2024 durch das Bern Carbon Cycle Modell
Da die decay-Formel (2) nicht unterstellt, daß ein Fünftel von einmal emittiertem CO2 nie wieder abgebaut wird, führt sie bei Prognosen – z.B. bis zum Jahr 2100 – zu ca. 30 bis 40 ppm niedrigeren atmosphärischen CO2-Konzentrationswerten (siehe Tab. 1).

Tab. 1 | Vergleich der CO2-Konzentrationswerte im Jahr 2100 je nach decay-Formel und Emissions-Szenario
Abgesehen von der Frage, mit welchem Ansatz der Abbau zukünftiger anthropogener CO2-Pulse beschrieben werden sollte, besteht ein grundsätzliches Problem des Bern Carbon Cycle Modells darin, daß es davon ausgeht, der Abbau von anthropogenen CO2-Pulsen sei vollkommen unabhängig von der aktuellen atmosphärischen CO2-Konzentration.
Bestimmung der vorindustriellen CO2-Konzentration mit dem Bern Carbon Cycle Modell
Aus der Forderung, die Quadratsumme der Differenzen der Meßwerte Ci und der berechneten Werte C(i) = C0 + 0,128 * m(i) – wobei m(i) die im Jahr i laut Bern-CC-Modell in der Atmosphäre verbliebene anthropogene CO2-Massse ist – zu minimieren, ergibt sich eine Formel zur Berechnung von C0:
C0 = Mittelwert(Ci) – 0,128 * Mittelwert(m(i)) (Mittelwerte berechnet für i = 1959 .. x)
Für die ab 1959 vorhandenen Mauna-Loa-Meßwerte (siehe Link) ergibt sich mit den beiden Parametersätzen des Bern-CC-Modells folgende Grafik, in der C0 mit den jeweils bis zum Jahr x bekannten Meßwerten berechnet wurde:
Mit den IPCC-Parametern des Jahres 2007 wird C0 sehr stabil der Wert 295 ppm zugeordnet. Die Parameter des Jahres 1995 (aus der Publikation von J. Hansen) führen für die vorangehenden Jahre ebenfalls zu C0 ~ 295 ppm, bei Berücksichtigung von Meßwerten späterer Jahre zum nur leicht höheren Wert von 296 ppm.
Zum Test der Vorhersage-Qualitäten des Bern-CC-Modells wird in der folgenden Grafik dargestellt, welche CO2-Konzentration für das Jahr 2018 die beiden Bern-CC-Parametersätze im Jahr x vorhersagen, wenn nur Meßwerte bis zum Jahr x berücksichtigt werden. Über den gesamten Zeitraum von 60 Jahren liegen die Vorhersagen des 1995-Parametersatzes bis zu 2 ppm unter dem aktuellen Meßwert; die Vorhersagen des 2007-Parametersatzes liegen bis zu 0,8 ppm darüber.
Schlußfolgerung: Das Bern-CC-Modell berechnet die atmosphärische CO2-Konzentration sehr genau aus den jährlichen CO2-Emissionen und macht auch – unabhängig vom Bern-CC-Parametersatz – über Jahrzehnte hinweg sehr genaue Vorhersagen der zukünftigen CO2-Konzentration, deren Abweichung vom tatsächlichen Wert im Rahmen der jahreszeitlichen Schwankungen der Mauna-Loa-Meßwerte liegt:
Die folgende Grafik zeigt, wie genau die CO2-Konzentrations-Meßwerte seit ca. 1950 (im wesentlichen die Mauna-Loa-Messungen) mit Hilfe des Bern Carbon Cycle Modells reproduziert und damit auch über Jahrzehnte extrapoliert werden können.
Die vorindustrielle CO2-Konzentration kann nicht so niedrig gewesen sein, wie die Eisbohrkern-Messungen anzeigen – entweder wegen systematischer Meßfehler, oder weil die CO2-Konzentration seit 1750 durch natürliche Ursachen um fast 20 ppm angestiegen ist. Die vergleichsweise geringen menschlichen CO2-Emissionen zwischen 1750 und 1900 (insgesamt 45 Gt) können nicht die Ursache eines so starken CO2-Anstiegs (17 ppm = 133 Gt) gewesen sein (vgl. Text „Vorindustrielle CO2-Konzentration„).
Für Auswertungen werden daher die mit Hilfe des Bern-CC-Modells korrigierten Werte (blaue Kurve) verwendet.