Temperatur-Kalibrierung (IPCC 2013)

IPCC 2013: 1 °C Temperaturerhöhung je 1600 Gt kumulierte CO2-Emissionen

Im IPCC-Report „Climate Change 2013 – The Physical Science Basis“ wird auf Seite 27 behauptet „Cumulative total emissions of CO2 (m) and global mean surface temperature (GMST) response are approximately linearly related“.
Auf Seite 28 befindet sich ein Bild (ähnlich der Ab­bil­dung rechts), in dem die Temperatur-Anomalien über den kumulativen CO2-Emissionen aufgetragen sind. 1600 Gt kumulative CO2-Emissionen haben demnach bisher zu 1 °C Temperatur-Erhöhung geführt. Der IPCC unterstellt, daß man diesen Zusammenhang linear in die Zukunft verlängern kann, daß also je weiterer 1600 Gt CO2-Emissionen ein weiteres Grad Temperaturerhöhung die Folge sein wird, und hat damit den IPCC-RCP-Szenarien (siehe Link) Temperaturen zugeordnet:

Diese IPCC-Extrapolation in die Zukunft kann man als Grafik folgendermaßen darstellen:

Abb. 1 | IPCC-Prognosen der Temperatur-Anomalie für die Szenarien RCP 2.6, RCP 4.5, RCP 6.0 und RCP 8.5

Rechnerisch führt der lineare Ansatz für die bisherigen Meßdaten (1850 – 2019) praktisch zu gleichen Werten wie ein logarithmischer Ansatz, der vom IPCC ebenfalls propagiert wird (siehe Link)

Der Unterschied liegt in der Physik – der Strahlungsantrieb der CO2-Konzentration C wächst nicht linear, sondern mit ln(C/C0) – und in der Extrapolation, die bei einem linearen Ansatz weitaus höhere Temperaturen vorhersagt. Die praktische Gleichheit von linearem und logarithmischem Ansatz für die bisherigen Daten (vgl. Abb. 4) hat im wesentlichen den mathematischen Grund, daß sich für kleine x=(C-C0)/C0) die Funktionswerte von f(x)=x und f(x)=ln(1+x) kaum unterscheiden.

Herleitung

Für die Temperatur-Anomalie T(j) des Jahres j gilt mit dem linearen Ansatz des IPCC:

(1) T(j) = m(j) / 1600 (°C)

Dabei ist m(j) die bis zum Jahr j kumulierte CO2-Emission. Der Anteil mAtm(j) der CO2-Masse, der bis zum Jahr j in der Atmosphäre verblieben ist, kann berechnet werden als (siehe Umrechnung ppm in Gt):

(2) mAtm(j) = (C(j) – C0)/0,128  (Gt)

Aus mAtm(j) und m(j) kann man die kumulierte Airborne Fraction AFkum berechnen, die in den letzten Jahrzehnten Werte zwischen f = 58 % und f = 55 % angenommen hat (siehe Link):

(3) f = AFkum (j) = mAtm(j) / m(j)

Durch Setzen von m(j) = mAtm(j)/f = (C(j) – C0)/C0 * 295/(0,128 * f) wird Gleichung (1) zu

(4) T(j) = s * (C(j) – C0)/C0 (°C)

Gleichung (4) führt zu denselben Temperatur-Anomalien wie Gleichung (1), solange man setzt:

(5) s = 1/f * 295/(1600*0,128) = 1,440 / f

Abb. 2 | Abhängigkeit der Steigung s von der kumulierten Airborne Fraction f über der Zeit

Abb. 2 zeigt, daß die Steigung s in Gleichung (4) im Wertebereich 2,49°C bis 2,62°C variiert. Anfang der 1970er Jahre lag die kumulierte Airborne Fraction bei 0,58, was für diese Zeit zu einem Wert von s = 2,5°C führt.

2017 wurden 1600 Gt kumulierte Emissionen überschritten, und die atmosphärische CO2-Konzentration war auf 407 ppm angestiegen. Mit C0 = 295 ppm (siehe „vorindustrielle CO2-Konzentration“) und f = 0,55 (siehe Bild in „Airborne Fraction“) ergibt sich mit den Formeln (4) und (5) für das Jahr 2017:

(6) T(2017) = 1,440/0,55 * (407 – 295)/295 = 2,62 * 0,38 = 1,0 °C

Nur die in der Atmosphäre verbliebenen CO2-Emissionen sind Treibhausgase, die für die globale Erwärmung verantwortlich sind. Insofern ist Formel (1), in der die resultierende Temperaturerhöhung an kumulativen CO2-Emissionen festgemacht wird, eine Näherung unter der Annahme einer weitgehend konstanten Airborne Fraction. Der in Formel (4) beschriebene lineare Ansatz verzichtet auf diese Näherung, wenn man darin s auf einen festen Wert setzt, z.B. s = 2,5°C.

Gleichung (4) ist mit konstanter Steigung s ein linearer Ansatz bzgl. der relativen Konzentrationserhöhung x:

(7) x = (C(j) – C0)/C0

Die grüne Kurve in Abb. 1 zeigt den in erster Näherung linearen Verlauf von x über den kumulierten Emissionen m (Grund: nahezu konstante Airborne Fraction AFkum → die Steigung s in Abb. 2 / Formel (4) ist ebenfalls nahezu konstant).

Der durch die Zunahme der CO2-Konzentrationen verursachte Strahlungsantrieb ist proportional zu ln(C/C0) und linear mit der Änderung der globalen Gleich­gewichts­temperatur an der Erdoberfläche verknüpft (siehe Wikipedia). Wenn man bedenkt, daß für kleine x gilt: ln(1+x) = x (siehe Taylorreihe: ln(1+x) = x – x²/2 + x³/3 … ), kann man Formel (4) als Vereinfachung von Formel (8) auffassen:

(8) T(j) = TCR/ln(2) * ln(1+(C-C0)/C0) = TCR/ln(2) * ln(C/C0) (°C)

Als TCR (transient climate response) wird dabei die zum Zeitpunkt einer CO2-Konzentrations-Verdopplung zu beobachtende Temperaturerhöhung bezeichnet. Der wahrscheinliche Wertebereich der TCR ist 1°C bis 2,5°C (IPCC-Report 2013, Seite 81). Unter Klimasensitivität und Logarithmus wird gezeigt, daß die Angabe einer TCR (oder ECS) für einen Zusammenhang diesen notwendigerweise als logarithmisch qualifiziert – ein Widerspruch zur IPCC-Aussage „… linearly related“ (s.o.).

Mitte der 1970er Jahre betrug die atm. CO2-Konzentration um die 330 ppm. Damit hat x in Gleichung (7) den Wert (330-295)/295 = 0,12 und x²/2 = 0,0001 (siehe obige Taylor-Reihe). Bis Mitte der 1970er Jahre gilt also näherungsweise mit s = 2,5°C (siehe Formel (4) und Abb. 2):

(9) TCR/ln(2) = 2,5°C → TCR = 1,73°C

Abb. 3 | Die grüne Kurve ΔT = 2,5 * ln(C/C0) stimmt bis Mitte der 1970er Jahre praktisch mit den Kurven ΔT = m/1600 (rot gepunktet) bzw. ΔT = 1,44/AFkum * (C – C0)/C0 (blau) überein und weicht danach nach unten ab. Die Differenz der (geglätteten) Meßwerte von der grünen logarithmischen Kurve (hellblau) ist eine Schwingung synchron zu einer Überlagerung (rot) von AMO (orange) und dem solaren deVries/Suess-Zyklus

Dementsprechend verläuft die grüne Kurve ΔT = 2,5 * ln(C/C0) bis Mitte der 1970er Jahre praktisch auf den Kurven ΔT = m/1600 (rot gepunktet) bzw. ΔT = s * (C – C0)/C0 (blau) und weicht danach nach unten ab. Die hellblau dargestellte Differenz zwischen den (geglätteten) Temperatur-Meßwerten (dunkelrot) und der grünen logarithmischen Kurve ist eine Schwingung synchron zur AMO (orange), wobei es so aussieht, als ob die hellblaue Differenzkurve eine Überlagerung der AMO mit einer Kurve mit steigender Tendenz bis ca. 1980 ist (→ rote Kurve: Überlagerung von AMO und deVries/Suess-Zyklus – vgl. Link). Letzteres paßt zu folgender IPCC-Aussage zum Thema „Solare Einflüsse“ :

„Ein langfristiger zunehmender Trend der Sonnenaktivität zu Beginn des 20. Jahrhunderts könnte die in diesem Zeitraum registrierte Erwärmung … verstärkt haben. … Es gab sogar einen leicht rückläufigen Trend der TSI von 1986 bis 2008.“
Quelle: IPCC-Report 2013, Seite 392.

Wenn man jedoch unterstellt – so wie es der IPCC tut -, daß die Temperatur-Anomalie nach der kumulierten Emission von 1600 Gt im Jahr 2017 den Wert 1,0°C angenommen hat, und daß dieser Wert komplett anthropogen ist, muß man für Gleichung (8) den Wert TCR=2,15°C (statt TCR=1,73°C) ansetzen. Dann gilt mit C = 407 ppm:

(10) T(2017) = 2,15/ln(2) * ln(1 + (407-295)/295) = 3,10 * ln(1,38) = 1,0 °C.

Eine lineare Regression der HADCRUT4-Daten bzgl. der Funktionen T = a + b * ln(C/C0) und T = a + b * m/1600 (m = kumulierte CO2-Emission) liefert für beide Ansätze nahezu übereinanderliegende Kurven (im Bereich der Meßwerte), die jedoch zu erheblich unterschiedlichen Extrapolationen führen, wie das folgende Bild zeigt:

Abb. 4 | Lineare Regression mit linearem und logarithmischem Ansatz (ohne Berücksichtigung der überlagerten Schwingung).
Die mittlere Abweichung zu den Meßwerten beträgt in beiden Fällen 0,121°C

Der lineare Ansatz – der jedoch der Physik widerspricht (siehe Wikipedia) und die offensichtlich vorhandenen Langzeit-Schwingungen ignoriert – stellt einen direkten Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und zu erwartender mittlerer Oberflächentemperatur her und ist daher für die einfache Berechnung verbleibender „Budgets“ von CO2-Emissionen geeignet.  Auf Seite 1112 des 1552-seitigen 2013-IPCC-Reports heißt es daher mit Bezug auf den WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen; Mitglied seit 1992: Prof. H.J. Schellnhuber):

(übersetzt) „Die Einfachheit des Konzepts eines Budgets kumulierter Kohlenstoffemissionen macht es für die Politik attraktiv (WBGU, 2009). Die Hauptursache für die langfristige Erwärmung ist der gesamte über die Zeit kumulierte CO2-Ausstoß. Um die durch CO2-Emissionen verursachte Erwärmung auf ein bestimmtes Temperaturziel zu begrenzen, müssen die kumulativen CO2-Emissionen aus allen anthropogenen Quellen daher auf ein bestimmtes Budget begrenzt werden.

In engem Zusammenhang mit dem Konzept eines Budgets kumulierter Kohlenstoffemissionen steht das TCRE-Konzept: „Transient Climate Response to cumulative Emissions“ (siehe Link).

Berücksichtigung der überlagerten Multidekaden-Oszillation

In Abb. 3 zeigte sich bereits, daß die gemessenen mittleren globalen Temperaturen offensichtlich mit einer Periode von ca. 60 bis 70 Jahren um den Kurvenverlauf der bis Mitte der 1970er Jahre nahezu übereinstimmenden Ansätze schwingen. Grundvoraussetzung für die Beantwortung der Fragestellung, welcher der Ansätze für die Gegenwart (d.h. die vorliegenden Meßwerte von 1850 bis 2018) korrekt ist, ist das Verständnis der natürlichen Langzeit-Schwingung, die der Kurve der anthropogenen Erwärmung offensichtlich überlagert ist, um diese möglicherweise aus den vorliegenden Meßdaten herausrechnen zu können.

Unter „Multidekadenoszillation und solarer Zyklus“ werden neben dem IPCC-Ansatz
ΔT = m/1600 die beiden logarithmischen Ansätze für die anthropogene Erwärmung geprüft, die aus den obigen Überlegungen hervorgegangen sind:
ΔT = 2,5 * ln(C/C0) ist bis ca. 1970 identisch mit ΔT = m/1600
ΔT = 3,1 * ln(C/C0) hat im Jahr 2017 denselben Funktionswert wie ΔT = m/1600

Das folgende Bild zeigt 3 Ansätze über der Abszisse „kumulierte CO2-Emission“:

Abb. 5 | Drei theoretische Ansätze für die Beschreibung des anthropogenen Anteils der globalen Erwärmung bis 2017 (aufgetragen über der kumulierten CO2-Emission)