In ihrem Artikel „Estimating maximum global land surface wind power extractablility and associated climatic consequences“ (Max Planck Institut für Biogeochemie in Jena, 2011) weisen L.M. Miller et al. darauf hin, daß Windenergie letztlich Sonnenenergie ist und nicht in unendlichem Ausmaß zur Verfügung steht. Mit einer Überschlagsrechnung kommen sie zum Ergebnis, daß über der nicht vereisten Landfläche der Erde maximal 68 TW an Windenergie extrahierbar ist. Das entspricht ca. 600.000 TWh/Jahr.
Mark Z. Jacobson führt in einem 2019 unter stanford.edu publizierten Artikel „World Saturation Wind Power Potential“ einen Grenzwert SWPP (saturation wind power potential) ein, der dadurch definiert ist, daß durch Hinzufügen einer weiteren Wind-Turbine weltweit keine zusätzliche kinetische Energie mehr extrahiert werden kann. Sein Ergebnis: Land-SWPP = 72 TW. Das entspricht in der Größenordnung dem von Miller et al. berechneten Wert von 68 TW.
Plausibilitätsbetrachtung zur Bestimmung der Fläche pro Windrad
Die eisfreie Landfläche (mit Flüssen und Seen) der Erde ist 134.000 * 10³ km² groß (laut Online-Handbuch Demografie (Berlin-Institut) ).
Mit den Daten aus dem Artikel „Soll Deutschland ein einziger Windpark werden?“ bzgl. aktueller Windenergieanlagen (WEA) ist die folgende Berechnung möglich:
- Rotordurchmesser: 114 m
- Abstand zweier WEA = 10facher Rotordurchmesser = 1140 m
- Fläche pro WEA = 1,3 km² = 1,14² km²
- Nennleistung: 3,2 MW
- effektive Leistung über 1 Jahr Betrieb = 3,2 * 0,215 = 0,688 MW
- Max.-Anzahl WEA (Landfläche der Erde) = 134.000 * 10³ / 1,3 = 103.077 * 10³
- effektive Leistung = 103.000 * 10³ * 0,688 MW = 71 TW
Mit einem Abstand des 10fachen Rotordurchmessers würden 100 Millionen Wind-Turbinen der oben beschriebenen Bauart die gesamte verfügbare kinetische Energie der Atmosphäre extrahieren (vgl. „Better turbine spacing for large wind farms“, 2011).
Deutschland hat eine Fläche von 360.000 km², ohne besiedelte Flächen 300.000 km².
Der Anteil Deutschlands ohne besiedelte Flächen an der eisfreien Landfläche der Erde liegt bei 0,224 % = 300/134.000.
Bei angenommener Gleichverteilung der extrahierbaren Windenergie entfallen auf die nicht besiedelte Fläche Deutschlands also maximal 600.000 * 0,00224 = 1344 TWh/Jahr. Die 1266 TWh/Jahr, die man entsprechend der Berechnung in „Soll Deutschland ein einziger Windpark werden?“ mit 210.000 WEA in Deutschland an Windenergie gewinnen könnte, sind 94 % von 1344 TWh/Jahr (und nur die Hälfte des derzeitigen Endenergieverbrauchs). Mit einer so hohen Windenergienutzung würde man fast die gesamte kinetische Energie aus der Atmosphäre über Deutschland entfernen und damit unweigerlich das Klima beeinflussen. Schon aus diesem Grund verbieten sich so hohe Anteile der Windenergienutzung – abgesehen davon, daß man das ganze Land in einen Windpark verwandeln würde.
Fazit: Deutschland hat mit seiner dichten Besiedlung einen zu hohen Energiebedarf, als daß dieser überwiegend aus Windkraft gewonnen werden könnte.
In Deutschland leben 1,0 % der Weltbevölkerung. Mit einem Primärenergiebedarf von ca. 0,45 TW hat Deutschland einen Anteil von ca. 2,4 % am Weltenergiebedarf von derzeit ca. 19 TW (siehe Abb. 2). Da CO2-Emissionsvermeidung allein in Deutschland wegen des geringen deutschen Anteils sinnlos ist, muß man untersuchen, ob Windenergie im Weltmaßstab die Haupt-Energiequelle sein kann. Windenergie wird in den folgenden Überlegungen ebenfalls als „Primärenergie“ verstanden, weil infolge von Verlusten bei Speicherung und bei zwingend notwendigen „Power-to-Gas“-Umwandlungen die zur Verfügung stehende Endenergie deutlich kleiner als die ursprünglich erzeugte (Primär-) Energie sein wird.
Die benötigten Daten findet man in den „Our World in Data“-Grafiken Primary Energy Consumption by Region und World Population by Region sowie in der Abbildung zum Thema „Wachstum der Weltbevölkerung“ im Artikel „Europa und Nordamerika ohne CO2-Emissionen ab 2050 – würde das „die Welt retten“?„.
Abb. 1 zeigt, daß der Welt-Bedarf an Primärenergie bis 2050 auf fast 30 TW steigen könnte; das sind über 40 % der maximal zur Verfügung stehenden Windenergie von 68 TW. Für die Erzeugung von 30 TW würde man 43,6 Millionen Windräder mit 3,2 MW Nennleistung und 0,688 = 0,215 * 3,2 MW mittlerer Leistung benötigen. Wenn man einen 10fachen Rotor-Durchmesser-Abstand der WEA ansetzt (siehe oben), werden pro Windrad 1,3 km² Fläche benötigt, so daß 42 % der Landfläche der Erde (0,42 = 43,6*1,3/134) zu Windparks würden.
Auch im Welt-Maßstab ist es deshalb kaum vertretbar, einen großen Teil (fast die Hälfte) der Landfläche der Erde mit Windrädern zu bedecken sowie darüber hinaus fast die Hälfte der Windenergie aus dem Erd-System zu extrahieren, denn das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit seinerseits das Klima beeinflussen.
Abb. 2 zeigt den Pro-Kopf-Energiebedarf in der Einheit kW = kWh pro Stunde. Dieser liegt im Jahr 2020 in den alten Industrieländern (Europa und Nordamerika) bei 5,7 kW (blaue Kurve), in der übrigen Welt bei 2 kW (rote Kurve) und im Mittel bei 2,5 kW (gelbe Kurve). Gelbe und Rote Kurve liegen dicht beieinander, da in der „übrigen Welt“ zur Zeit ca. 7 mal mehr Menschen leben (mit steigender Tendenz) als in den alten Industrieländern.
Eine „drastische Senkung des Energieverbrauchs“, wie sie in einer 2017 erschienenen Analyse der Leopoldina gefordert wird (siehe „Soll Deutschland ein einziger Windpark werden?“), in den Industrieländern Europas und Nordamerikas würde fast nichts daran ändern, daß weltweit pro Mensch im Mittel 2 bis 2,5 kW Energie benötigt werden – mit steigender Tendenz -, so daß der Welt-Primärenergiebedarf selbst bei „Sparmaßnahmen“ der alten Industrieländer weiter steigen und spätestens 2100 30 TW erreichen wird.
Das entspricht den Überlegungen bzgl. CO2-Emissionsverminderung im Artikel „Europa und Nordamerika ohne CO2-Emissionen ab 2050 – würde das „die Welt retten“?“, die zum Schluß kommen, daß die alten Industrieländer aufgrund ihrer geringen und stagnierenden Einwohnerzahl im Weltmaßstab immer weniger Bedeutung haben, so daß dort umgesetzte (Spar-)Maßnahmen nur geringe Wirkung auf die ganze Welt haben.
Aus Wind kann pro Kopf immer weniger Energie maximal extrahiert werden, je mehr Menschen auf der Erde leben (grüne Kurve). Die Kurven der Abb. 2 zeigen, daß die weltweit benötigte Energie dieselbe Größenordnung hat wie die maximal zur Verfügung stehende Windenergie, und daß der Abstand zwischen Energie-Bedarf und Windenergie-Angebot immer kleiner wird, je mehr Menschen es auf der Erde gibt, die alle in Wohlstand – d.h. mit höherem Energiebedarf – leben wollen.
Schlußfolgerung: Maximale Nutzung der Windenergie würde große Teile der Welt verunstalten (in eine Industrielandschaft verwandeln) und ihrerseits das Klima verändern, da die kinetische Energie der Atmosphäre deutlich vermindert wird. In dicht besiedelten Ländern wie Deutschland könnte der Energiebedarf trotzdem noch nicht einmal zur Hälfte befriedigt werden. Windenergie ist nicht die Lösung der Herausforderung, die auf der Welt lebenden Menschen ausreichend, zuverlässig, kostengünstig und ohne massive Auswirkungen auf die Umwelt mit Energie zu versorgen.